EFB-Forschungsbericht Nr. 136

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Dimensionierung nachgiebiger Niederhaltersysteme

Verfasser:
Reimund Neugebauer, Lutz Klose, Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik Chemnitz -
Eckart Doege, Lutz-Eike Elend, Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen der Universität Hannover

ISBN 978-3-86776-267-0 - 97 Seiten, 50,30 €


Zusammenfassung

EFB/AiF-Forschungsvorhaben 10886 B

Im Rahmen des Forschungsvorhabens sollten theoretische und experimentelle Grundlagen für die Auslegung und den Einsatz von nachgiebigen Niederhaltern erarbeitet werden, mit dem Ziel einer partiell beeinflussbaren Flächenpressung als Funktion des Werkstück-Werkstoffverhaltens.

Für die Auslegung passiv nachgiebiger Niederhalter wurde mit Hilfe der FEM - Simulation die Lage, Anordnung, und Geometrie von Verrippungen sowie die Niederhalterplattendicke variiert und optimiert. Zur Durchführung der experimentellen Untersuchungen wurde ein am IFUM vorhandenes Versuchswerkzeug mit Trapezgeometrie entsprechend den Vorgaben der Simulation modifiziert. Die Verteilung der Flächenpressungen im Ziehteilflansch wurde mittels Druckmessfolie aufgenommen und die Druckverteilungen von starrem und passiv nachgiebigen Niederhaltern gegenübergestellt.

Dabei konnte eine deutlich gleichmäßigere Verteilung der Flächenpressung bei der Verwendung eines nachgiebigen Niederhalters nachgewiesen werden. Die im Vergleich zum starren Werkzeug höheren Flächenpressungen im Flanschbereich entlang der geraden Ziehteilseiten tragen zur Vermeidung von Ziehteilfehlern wie Falten erster Art und Einfallstellen bei. Der nachgiebige Niederhalter bietet folglich ein großes Potential zur Reduzierung der heute in der Praxis sehr zeit- und kostenintensiven Einarbeitungsphase.

Es konnte anhand der Modellgeometrie nachgewiesen werden, dass der Arbeitsbereich (Gutteilfenster) bei Verwendung nachgiebiger Niederhalter einerseits deutlich vergrößert wird und andererseits zu höheren Niederhalterkräften hin verschoben wird. Die deutliche Vergrößerung des Gutteilfensters führt zu einer geringeren erforderlichen Einstellgenauigkeit der Niederhalterkraft an der Maschine.

Die Vermessung der Flanschkonturen der Ziehteile zeigte eine deutlich stärkere Ausstreckung des Blechwerkstoffes im Bereich der langen geraden Ziehteilseiten, verdeutlicht durch einen breiteren Restflansch in diesem Bereich. Durch die stärkere Ausstreckung des Materials in diesem Bereich werden Einfallstellen vermieden. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, den Einsatz von Ziehstäben zu reduzieren.

Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass die Bauform des passiv nachgiebigen Niederhalters, im Gegensatz zum starren Niederhalter, in der Lage ist, voreingestellte Maschinenkippungen zu kompensieren. Somit besteht die Möglichkeit, durch den Einsatz passiv nachgiebiger Niederhalter den Aufwand manueller Tuschierarbeiten am Werkzeug deutlich zu reduzieren und hierdurch Kosten zu sparen, da der Einfluss der Umformmaschine auf das Ziehergebnis vermindert wird.

Neben einer Modellgeometrie mit ebenem Niederhalter wurde, um eine Vergleichbarkeit der Untersuchungsergebnisse zu dem am FhG - IWU Chemnitz untersuchten aktiv nachgiebigen Niederhalter zu gewährleisten, auf Basis von FEM-Simulationen ein bereits vorhandenes Tiefziehwerkzeug mit 3D-Niederhalterfläche zu einem Werkzeugsystem mit passiv nachgiebigen Niederhalter modifiziert. In den anschließenden experimentellen Untersuchungen konnten die Ergebnisse der Modelluntersuchungen verifiziert und bestätigt werden.

Abschließend kann gesagt werden, dass durch den Einsatz passiv nachgiebiger Niederhaltersysteme die Umformgrenzen erweitert und die Ziehteilqualität verbessert werden können. Weiterhin ergibt sich eine geringere Beeinflussung des Prozesses infolge von Schwankungen der Niederhalterkraft oder Maschinenkippungen, woraus sich eine erhöhte Prozesssicherheit ergibt.

In Ergänzung zu den bereits genannten Varianten des passiv nachgiebigen Niederhalterkonzeptes des IFUM Hannover konnte am IWU in Chemnitz der Nachweis erbracht werden, dass für Ziehteile mit nichtrotationssymmetrischer Geometrie über eine aktive lokale Beeinflussung der Niederhalterkraft das Ziehergebnis positiv beeinflussbar ist. Dabei spielt die tatsächliche lokale Flächenpressung eine wesentliche Rolle bezüglich des Eintrittes der Versagensfälle "Reißer" bzw. "Falten". Die Ergebnisse stützen sich auf die Vorgabe, Faltenbildung im wesentlichen nicht zuzulassen und somit die technologische Grenze auf den "Reißer" zu beschränken. Hier wird das Hauptpotential der aktiven nachgiebigen Niederhaltersysteme unter Nutzung der Vielpunktziehtechnik zur Erweiterung der technologischen Grenzen bzw. des Gutteilfensters gesehen.

Die durchgeführten simulativen bzw. experimentellen Untersuchungen stellen ganzheitlich die Wirkung von konventionellen, passiv nachgiebigen und aktiv nachgiebigen Niederhaltersystemen der gleichen Werkstückgeometrie gegenüber. Ergänzt werden die Untersuchungen durch die Sicherstellung der Übertragbarkeit auf 3-D Niederhalteraktivflächen.

Dabei konnte neben den technologischen Effekten mit den Werkstoffen DC04 und H340 auch gute Übereinstimmungen durch Einsatz komplexer FEM-Modelle mit elastischen Niederhaltern gefunden werden. Die derzeitigen Ansprüche an Modellierung, insbesondere Netzstrukturen von Werkzeug und Platine wurden aufgezeigt. Isolierte Parameter, wie Spannungs- und Flächenpressungsverteilung geben sowohl dem Technologen als auch dem Werkzeugkonstrukteur die Möglichkeit mit Hilfe der Simulation nachgiebige Werkzeugsysteme vorab zu testen und produktionssicher auszulegen.

Bei den praktischen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass Potentiale hinsichtlich der erreichbaren Ziehtiefen von mindestes 60% werkstoffbezogen bei dieser Werkstückgeometrie und gleichem Zuschnitt möglich sind. Diese Werte wurden durchgängig ohne Einarbeitung der Werkzeuge erreicht. Die Versagensgrenze des Werkstoffes wird demnach nicht in jedem Werkzeug tatsächlich erreicht. Vielmehr sind Einflussfaktoren wirksam, von denen die lokale differenzierte Flächenpressung am Niederhalter einen der wesentlichsten darstellt.

Die vorgestellten und untersuchten Konzeptionen der Niederhalter bzw. Ziehkissensysteme lassen sich in verschiedene Fertigungsstrukturen einordnen. Mit Zunahme der erreichbaren Effekte und Beeinflussungsmöglichkeiten während des Ziehprozesses steigt der Investitionsaufwand anlagen- bzw. werkzeugseitig. Jeder Anwender kann bezogen auf seine Fertigungsstruktur und -ansprüche entscheiden, welches System er einsetzen möchte und der Erweiterung der technologischen Machbarkeitsgrenzen für seine Produkte gegenüberstellen.

Abschließend kann festgehalten werden, dass mit den untersuchten passiv und aktiv elastischen Niederhaltersystemen folgende wesentliche Effekte nachgewiesen werden konnten:

  1. Gleichmäßigere Verteilung der lokalen Flächenpressungen im Ziehteilflansch
  2. Werkstoff- und geometriebezogene Erweiterung des technologischen Arbeitsbereiches
  3. Geringere Anforderungen auf die Einstellgenauigkeit der Niederhalterkraft auf konventionellen Zieheinrichtungen
  4. Beeinflussbarkeit des Werkstoffflusses
  5. Erhöhte Prozesssicherheit durch die Kompensation von Maschinenungenauigkeiten
  6. Reduzierung bzw. Eliminierung von zeit- und kostenintensiven Werkzeugeinarbeitungen
  7. Nutzbarmachung der 3-D FEM-Simulation für Prozesse mit elastischen Werkzeugsystemen zur Vorhersage des Ziehergebnisses und Stadienplanung
  8. Nutzung von 3-D FEM-Simulationsmodellen zur konstruktiven Auslegung von elastischen Niederhaltersystemen
  9. Reduzierung von Einstellaufwand an Vielpunktziehanlagen durch Vorausberechnung erforderlicher Flächenpressungen am Niederhalter mittels FEM

Die Substitution konventioneller Niederhalter- und Ziehtechniken ist somit prinzipiell in allen Ausbau- bzw. Technisierungsstufen von Presswerken möglich.


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