EFB-Forschungsbericht Nr. 594

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Mikrostrukturbasierte Simulation zum Kragenziehen von AHSS

efb-594

Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher, M.Sc. Tobias Schmid, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie Aachen - Prof. Dr.-Ing. Ulrich Krupp, M. Sc. Karthik Ramalingam, Institut für Eisenhüttenkunde, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen

88 Seiten - 75,00 EUR (sw, 39 teils farbige Abb., 4 Tab.)   Shop
ISBN 978-3-86776-653-1


Zusammenfassung

Zielstellung des Forschungsprojekts »Simulation Kragenziehen« war die Entwicklung eines rein physikalisch-basierten Simulationsmodells zur Berechnung der Bauteile über mehrere Prozessschritte hinweg. Multidisziplinäre Prozessketten stellen gegenwärtig den Stand der Technik dar, z. B. das laser-unterstützte Kragenziehen.

Hier wird zunächst in ein Blech ein Vorloch schergeschnitten, lokal um das Loch per Laser erwärmt und anschließend ein Kragen geformt. Zwar können die einzelnen Prozesse jeweils simulativ abgebildet werden. Ein Austausch der Material- und Schädigungshistorie findet prozessübergreifend jedoch nicht statt.

Basierend auf dem Vorgängerprojekt Laser-unterstütztes Kragenziehen (IGF 18277N) wurde im vorliegenden Projekt ein erweiterter Simulationsansatz mit einem Schädigungsmodell entwickelt. Dieser wurde mit dem thermisch-mechanisch-mikrostrukturellen (TMM) Modellansatz aus dem Vorgängerprojekt gekoppelt.

Das physikalisch basierte Simulationsmodell basiert zur Schädigungsbeschreibung auf den mikrostrukturellen Zustandsvariablen „Hohlraumvolumen" und „Versetzungsdichte". Entsprechende Prozesswechselwirkungen sind hierüber verknüpft und dienen als Ausgangsgröße in aufeinander aufbauenden Simulationen. In enger Zusammenarbeit zwischen dem Fraunhofer IPT und dem IEHK konnten hierfür simulationsbegleitende Experimente zum Prozess durchgeführt werden.

Hierfür wurden zunächst mit verschiedenartig gekerbten Zugproben die Materialkennwerte ermittelt und das Materialmodell durch Kalibrierungsrechnungen validiert. Anschließend wurde das Modell auf den relevanten Blechbearbeitungsprozess des Kragenziehens übertragen.
Als Ansatz im Rahmen der thermisch unterstützten Blechbearbeitung wurden durch das Fraunhofer IPT am Beispiel des laser-unterstützten Kragenziehens Einzelprozessuntersuchungen zum Scherschneiden des Vorlochs, zur Lasererwärmung und zum Umformen des Kragens durchgeführt. Diese simulationsbegleitenden Experimente innerhalb der Prozesskette stellten einen kontinuierlichen Abgleich zu den Simulationsergebnissen des IEHK dar.

Abschließend wurden die Technologie und der Simulationsansatz innerhalb eines industriell relevanten Hochvolumenversuch mittels Folgeverbundwerkzeug validiert. Dafür entwickelte das Fraunhofer IPT ein hy-PRESS-Werkzeugintegrationsmodul zur lokalen Lasererwärmung per robustem und kostengünstigem Freiformspiegelmodul. Das Simulationsmodell zur gesamten Prozesskette wurde durch das IEHK weiter optimiert, sodass am finalen Blechbauteil die Qualität des geformten Kragens inklusive einer Charakterisierung der Rissentstehung vorhergesagt werden konnte.

Anwendungsmöglichkeiten in Bezug auf die laser-unterstützte Blechbearbeitung ergeben sich für Hersteller von Blechbauteilen z. B. Automobilzulieferer, indem der Prozess sowie die zugehörige Systemtechnik für die industrielle Serienanwendung für die kundenspezifischen Anforderungen adaptiert werden. Die Übertragbarkeit ist weiterhin hinsichtlich weiterer Prozesse wie das Biegen oder Scherschneiden, als auch hinsichtlich weiterer Erwärmungstechnologien wie der Induktion und der Konduktion gegeben.

Die Anwendbarkeit der physikalisch basierten Simulationsmethodik, dem TMM- und dem Schadensmodell bietet sich die Möglichkeit der Bauteil-, Werkzeug- und Prozessauslegung in Bezug auf die gewünschten Eigenschaften des finalen Werkstücks. Durch die entwickelten Simulationsmodelle kann der Aufwand bei der Prozessentwicklung verringert werden, während es den Anwendern ermöglicht wird, präzise Vorhersagen der Bau-teile im angestrebten Fertigungsprozess zu berechnen.

Weiterer Forschungsbedarf ist in Bezug auf die Vereinfachung und Reduzierung der experimentellen Simulationskalibrierung, der Sensibilität auf Schwankungen unterschiedlicher Chargen und der Erweiterung auf zulässige Gefügeänderungen (z. B. oberhalb der Rekristallisationstemperatur) erforderlich.

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben „Mikrostrukturbasierte Simulation zum Kragenziehen von AHSS" der Forschungsvereinigung EFB e.V. wurde unter der Fördernummer AiF 21326BG über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 594 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

Summary

The goal of this research project was the development of a physically based simulation model for the calculation of components over several process steps. Currently, multidisciplinary process chains represent the state of the art, e.g. laser-assisted flange forming. In this process, a pre-hole is first sheared into a sheet metal blank, then locally heated by a laser around the hole, and finally a flange is formed. Each of these processes can be simulated. However, there is no exchange of material and damage history across processes.

Based on the previous project Laser-assisted Flange Forming (IGF 18277N), an extended simulation approach with a damage model was developed in this project. This was coupled with the thermal-mechanical-microstructural (TMM) model approach from the previous project. The physics-based simulation model is based on the microstructural state variables "void volume" and "dislocation density" to describe the damage. Corresponding process interactions are linked to these and serve as output variables in successive simulations.

In close cooperation between the Fraunhofer IPT and the IEHK, experiments were carried out to accompany the simulation of the process. First, the material parameters were determined using different types of notched specimens and the material model was validated by calibration calculations. The model was then applied to the relevant sheet metal forming process of flange forming.

As an approach to thermal-assisted sheet metal working, the Fraunhofer IPT conducted individual process tests on shearing of the pre-hole, laser heating and forming of the flange using the example of laser-assisted flange forming. These experiments within the process chain represented a continuous comparison with the simulation results of the IEHK. Finally, the technology and the simulation approach were validated in an industrially relevant high-volume test using a progressive die.

For this purpose, the Fraunhofer IPT developed a hy-PRESS tool integration module for local laser heating via a robust and cost-effective free-form mirror module. The simulation model for the entire process chain was further optimized by the IEHK so that the quality of the formed flanges, including a characterization of the crack formation on the final sheet metal component, could be predicted.

Possible applications of laser-assisted sheet metal working for manufacturers of sheet metal components, e.g. automotive suppliers, can be realized by adapting the process and the associated system technology for industrial series application to customer-specific requirements. The transferability to other processes such as bending or shearing as well as to other heating technologies such as induction and conduction is also given.

The applicability of the physically based simulation methodology, the TMM and the damage model offers the possibility of component, tool and process design with respect to the desired properties of the final workpiece. The developed simulation models can reduce the effort in process development while allowing users to calculate accurate predictions of the parts in the intended manufacturing process.

Further research is needed to simplify and reduce the calibration of the experimental simulation, the sensitivity to variations in different batches and the extension to allowable microstructural changes (e.g. above the recrystallization temperature).

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik
2.1 Hoch- und ultrahochfeste Stähle (AHSS)
2.2 Grundlagen der thermisch-unterstützten Blechbearbeitung
2.3 Laser-unterstützte Blechbearbeitung
2.4 Empirische, konstitutive Simulationsmodelle
2.5 Mikrostrukturelle konstitutive Modelle
2.6 Mikrostrukturelle Schadensmodellierung
3 Gegenüberstellung der durchgeführten Arbeiten und des Ergebnisses mit den Zielen
4 Wissenschaftlich-technische Projektinhalte
4.1 Materialauswahl und Werkzeugdesign
4.2 Kragenzugversuche und Ausgangscharakterisierung
4.3 Blechcharakterisierung und Schädigungsmodell
4.3.1 Materialcharakterisierung und Ermittlung von Referenzwerten
4.3.2 Mechanische Charakterisierungen
4.3.3 FE-Simulation des laserunterstützten Kragenziehprozesses
4.3.4 Mikrostrukturelles Schädigungsmodell
4.3.5 Numerische Umsetzung des Schadensmodells
4.3.6 Konstitutive Modellierung
4.4 Einzelprozessversuche mit Parametervariation
4.5 Modellkalibrierung und Ableiten konstitutiver Parameter
4.6 Simulation
4.7 Validierung der Simulation auf der Servopresse
5 Ergebnisse und Ausblick
5.1 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse für KMU
6 Literaturverzeichnis

 


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