EFB-Forschungsbericht Nr. 450

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Einfluss einer Vorlochung auf biegedominierte Umformprozesse

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Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Marion Merklein, Dipl.-Ing. Ioannis Tsoupis, Lehrstuhl für Fertigungstechnologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

114 Seiten - 72,00 EUR (sw, 42 teils farbige Abb., 6 Tab.)
ISBN 978-3-86776-499-5



Zusammenfassung

Das übergeordnete Forschungsziel war die detaillierte Analyse der Einflüsse und der Auswirkungen vorgelochter Blechplatinen aus Stahl und Aluminium auf nachfolgende Umformoperationen, die sich durch biegedominierte Belastungen sowie durch Tiefzieh- und Streckziehoperationen auszeichnen. Von besonderem Interesse war vor allem ein resultierendes Versagen der Blechwerkstoffe. Durch eine systematische Herangehensweise wurden in diesem Projekt die Schädigungscharakteristika, die durch eine Vorlochung in der Umformzone hervorgerufen werden, in unterschiedlichen Umformprozessen untersucht. Die Finite Elemente Methode wurde ergänzend eingesetzt, um das Umform- und Schädigungsverhalten der Prozesse mit Vorloch in der Simulation zu identifizieren und zu analysieren sowie die auftretende Schädigung und das Versagen, die durch das Loch hervorgerufen werden, in Abhängigkeit des Belastungsintervalls zu prognostizieren.

Die im Rahmen des Projekts untersuchten Werkstoffe sind der Dualphasenstahl HCT780XD und die Aluminiumlegierung AA5182 mit einer Ausgangsblechdicke von s0 = 1,0 mm. Für die Lochung wurden die industrierelevanten Verfahren Bohren, Fräsen sowie Scherschneiden unter Variation des Schneidspalts angewendet. Die Charakterisierung der Lochkanten ergab eine höhere Kantenqualität bei den spanend gelochten Proben.

Dies äußert sich in einer geringeren Rauheit sowie nahezu keiner Verfestigung an der Kante und somit einer besseren Umformbarkeit gegenüber den schergeschnittenen Proben. Beim Scherschneiden liegt bei beiden Werkstoffen ein duktiler Bruchmechanismus vor. Eine Vergrößerung des Schneidspalts von u = 0,10 mm auf u = 0,15 mm führt zu einer Verschlechterung der Kantenqualität bezüglich der Ausbildung einer kleineren Glattschnittzone und einer größeren Bruchzone.

Allerdings verringert sich mit größerem Schneidspalt die verformungsinduzierte Verfestigung an der Kante und folglich ist ein größeres Restformänderungsvermögen für die spätere Umformung vorhanden. Dies resultiert in größeren Lochaufweitverhältnissen sowie erweiterten Umformgrenzen bezüglich des maximal erzielbaren Umformgrads an der Kante sowie der Prozessgröße maximaler Stempelweg. Des Weiteren werden die Umformgrenzen signifikant verringert, wenn die Bruchzone und somit der vorgeschädigte Bereich der Kante in der zugdominierten und dadurch kritischeren Beanspruchungszone, also auf der dem Stempel abgewandten Seite, der Umformung liegt. Vorhandene Mikrorisse und die höhere Rauheit dienen in diesem Zusammenhang als Rissinitiatoren.

Bezüglich der Umformverfahren resultiert verfahrensübergreifend ein geringeres Umformvermögen der gelochten Proben durch die ansteigende Zugüberlagerung in der biegebeanspruchten Zone sowie durch die Reduktion des blechdickenbezogenen Biegefaktors mit der Reduktion des inneren Biegeradius infolge kleinerer Stempelradien. Zudem ist eine Orientierung der Biegelinie parallel zur Walzrichtung kritischer bezüglich der Werkstoffbeanspruchung und resultiert in frühzeitigem Versagen.

Zur realitätsnahen Umsetzung der biegedominierten Umformung mit Vorloch in der numerischen Simulation wurde eine Strategie entwickelt, mit der benutzerunabhängig die relevanten Schädigungsparameter identifiziert und an den jeweiligen Prozess adaptiert werden können. Dadurch ist es zukünftig in Kombination mit den gewonnen Erkenntnissen aus den experimentellen Untersuchungen möglich, das Schädigungs- und Versagensverhalten der Werkstoffe in Abhängigkeit der Lochverfahren und des Umformprozesses bereits im Vorfeld der Produktion virtuell abzuschätzen und durch konstruktive Maßnahmen zu verhindern.
Das im Rahmen des Projekts gesetzte Forschungsziel wurde erreicht.

Das IGF-Vorhaben „Einfluss einer Vorlochung auf biegedominierte Umformprozesse" wurde unter der Fördernummer AiF 17737N von der Forschungsvereinigung EFB e.V. finanziert und betreut und über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Abschlussbericht ist als EFB-Forschungsbericht Nr. 450 erschienen und bei der EFB-Geschäftsstelle und im Buchhandel erhältlich.

Summary

The goal of the project was the detailed analysis of the influence and the impact of pre-punched steel and aluminum sheets on subsequent forming operations, which are characterised by bending dominated load conditions as well as by deep and stretch drawing operations. Especially a resulting failure of the sheet materials was of particular interest. The damage characteristics, which are caused by the pre-punched hole in the forming zone, in the different forming processes were investigated by a systematic approach. Additionally the finite element method was used in order to identify and analyse significant process parameters on the forming and damage behaviour of the processes without the pre-punched hole and to predict occurring damage and failure, which are caused by the pre-punched hole, in dependency of the load condition.

The materials investigated within the project are the dual-phase HCT780XD steel and the aluminum alloy AA5182, both with an initial sheet thickness of s0 = 1.0 mm. For pre-punching the hole industrial relevant processes drilling, milling as well as punching by shearing under variation of the punch-to-die-clearance were chosen. Within the characterisation of the punched edges a higher quality of the edges is identified by using the machining processes milling and drilling. This results in a lower roughness of the surface and almost no hardening at the edge, leading to a better formability compared to punched edges by shearing. In case of punching by shearing ductile failure mechanisms take place for both investigated materials. An increase of the punch-to-die-clearance from u = 0.10 mm to u = 0.15 mm leads to a decrease of the edge quality with respect to the development of a smaller burnish zone and a larger fracture zone. However, with a larger punch-to-die-clearance the deformation induced hardening is reduced and consequently more potential for subsequent forming remains. This results in higher hole expansion ratios and in extended forming limits with regard to the maximum achievable major strains at the edge as well as with respect to the process variable of maximum punch displacement.

Furthermore, the forming limits are significantly reduced when the fracture zone and thus the pre-damaged area of the edge are located in the tensile-dominated and thus more critical stress zone of the deformation. In this context micro-cracks and higher roughness of the surface in this area are initiators for cracks, which lead to final fracture of the specimen. In case of bending dominated forming processes lower formability of pre-punched specimen is the result of tensile superposition in bending dominated load area as well as of a reduction of normalised bending radius due to reducing inner bending radius by smaller radii of the punch. Moreover, an orientation of the bending axis parallel to the rolling direction is more critical with respect to the load condition and results in prior failure.

In order to realise the bending dominated forming processes with pre-punched holes in numerical simulation according to reality, a strategy was developed to identify user independently the damage parameters and to adopt them to the relevant forming process. As a result, in combination with the obtained knowledge out of the experimental investigation, it will be possible in future to estimate virtually the damage and failure behaviour of the materials in dependency of the process for pre-punching and of the forming process prior production and consequently to prevent failure by constructive measures.
The research goal has been achieved.

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Summary
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis und Formelzeichen
Abkürzungsverzeichnis
Formelzeichen
1 Einleitung
2 Stand der Technik und Forschung
2.1 Mehrphasenstähle und Aluminiumlegierungen im Leichtbau
2.2 Schneiden
2.3 Biegen
2.4 Umformspezifische Beurteilung geschnittener Kanten
2.5 Schädigungsmodellierung
2.6 Vorarbeiten am Lehrstuhl für Fertigungstechnologie
2.6.1 Werkstoffcharakterisierung
2.6.2 Schneiden
2.6.3 Biegen und Streckbiegen
2.6.4 Kantenrissempfindlichkeit
3 Zielsetzung und Lösungsweg
4 Werkstoffe und Prüfverfahren
4.1 Versuchswerkstoffe und Werkstoffcharakterisierung
4.1.1 Versuchswerkstoffe
4.1.2 Werkstoffcharakterisierung
4.2 Prüfverfahren
4.2.1 Prüfverfahren zur Lochung der Werkstoffe
4.2.2 Prüfverfahren zur Umformung der Werkstoffe
4.3 Fazit
5 Charakterisierung der Kanten
5.1 Qualitative und quantitative Charakterisierung im Auflichtmikroskop
5.2 Qualitative Charakterisierung im Laserscanning- und Rasterelektronenmikroskop
5.3 Ermittlung der Verfestigung durch Härtemessungen
5.4 Fazit
6 Umformung der vorgelochten Proben
6.1 Vorgehensweise und Versuchsplan
6.2 Auswertestrategien
6.2.1 Optische Dehnungsmessung
6.2.2 Bestimmung des Lochaufweitverhältnisses
6.3 Freies Biegen
6.4 Streckbiegen
6.5 Lochaufweitversuch
6.6 Tiefungsversuche nach Nakajima
6.7 Fazit
7 Simulation der Prozesse
7.1 Scherschneiden in der Simulation
7.2 Strategie zur Untersuchung der Kantenrissempfindlichkeit in der Simulation
7.2.1 Kontinuumsmechanisches Schädigungsmodell in der Simulation
7.2.2 Inverse Parameteridentifikation der Schädigungsparameter
7.2.3 Adaption der Schädigungsparameter auf die Umformung mit Vorlochung
7.2.4 Anwendung der Schädigungssimulation zur Untersuchung der Kantenrissempfindlichkeit
7.3 Fazit
8 Anwenderleitfaden
8.1 Leitfaden zur Reduktion bzw. Vermeidung der auftretenden Schädigung und des Versagens bei der biegedominierten Umformung vorgelochter Proben
8.2 Leitfaden zur Umsetzung der entwickelten Strategie, um die Umformung vorgelochter Proben mit Berücksichtigung der Schädigung in der Simulation abzubilden
9 Wissenschaftlich-technischer und wirtschaftlicher Nutzen der Ergebnisse
10 Literaturverzeichnis

 

 

 


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